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Carlos Corner - Schiedsrichterbetreuer
bei der WM 2007
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Übersicht "Carlos Corner"
Rückblick WM 2007- Aus dem Tagebuch
eines Schiedsrichterbetreuer
Carlos Rückblick als Schiedsrichterbetreuer
in Wetzlar in gewohnt frischer und kritischer Weise ...
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Einer der Austragungsorte der WM 2007 - Die
Arena in Wetzlar |
1. Chronologie
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Ich werde im Juli/August 06 in Dänemark
angerufen und aufgefordert, mich als Volunteer beim DHB
zu bewerben. Nach Rückfrage erhalte ich 2 Gründe
für den Anruf: Ich spreche mehrere Sprachen, darunter
auch Dänisch, und ich wohne in der Nähe von
Wetzlar.
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Ich bewerbe mich beim DHB mit den erforderlichen
Daten und lese für lange Zeit nichts.
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Schließlich kommt die Einladung
zum Treff aller Volunteers im Wetzlarer Rathaus.
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Der vorgelegte Vertrag wird von mir unterzeichnet.
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Ich fahre mittwochs vor dem Beginn der
Vorrunde in die Arena zu einem Briefing. Dabei erfahre
ich, dass ich die SR betreuen soll. Sofort wird mir klar,
dass ich das nicht alleine tun kann. Wenn ich das 1. Gespann
betreue, kommt noch während des laufenden Spiels
das 2. Gespann in der Halle an; wer soll sich um die beiden
Kollegen kümmern?
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Außerdem händigt man mir ein
T-Shirt und eine Trainingsjacke einfachster Machart aus.
Die Funktionäre auf höherer Ebene haben offenbar
einen einheitlichen Anzug einschließlich Hemd und
Krawatte bekommen.
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Man erkennt den SR-Betreuer-Notstand und
beauftragt mich, einen weiteren Betreuer zu suchen.
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Ich rufe freitags Lars Kimpel an und erkläre
ihm, worum es geht.
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Lars sagt zu, wir treffen uns samstags
um 10.Uhr im Hotel Mercure anlässlich der Technischen
Einweisung durch Mrs. Green.
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Am späten Nachmittag suche und finde
ich den Schlüssel der SR-Kabine und erwarte das 1.
Gespann.
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Die iranischen Schiris Mohsen Karbas-Chi
(links) und Majid Kolahdouzan |
Es sind die Iraner Mohsen Karbas-Chi und Majid Koladouzan,
begleitet von ihren Kollegen Peter Brunovsky und Vladimir
Canda aus der Slowakei sowie Kenneth Abrahamsen und Arne
Kristiansen aus Norwegen. Wir unterhalten uns vorwiegend
in der englischen Sprache, mit den beiden Norwegern spreche
ich dagegen Dänisch.
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Ich geleite die Iraner zur Aufstellung
vor dem Einlaufen und betreue sie während der Halbzeit
und nach dem Spiel Grönland - Slowenien. Nachdem
sie sich umgezogen haben, fahren wir mit dem Aufzug in
die IHF-Lounge im 2. Stock, wo ich mich von ihnen verabschiede.
Zuvor habe ich Lars den Kabinenschlüssel übergeben.
Lars betreut die beiden Norweger im 2. Spiel des Tages.
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Am Sonntag bringt Lars mir den Kabinenschlüssel,
damit ich erneut das iranische Gespann beim Spiel Grönland
- Tunesien betreuen kann. In der Halbzeit bringt Peter
Rauchfuß den SR'n ein blaues Armband, das sie berechtigt,
nun auch den "Business Club" im 1. Stock zu
betreten.
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Nach dem Spiel bringe ich die Kameraden
denn auch in den "Business Club" und verabschiede
mich.
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Die slowenischen Schiris Peter Brunovsky
(links) und Vladimir Canda |
Am Montag bringt mir Lars den Kabinenschlüssel und
ich betreue das slowakische Gespann während des Spiels
Grönland - Kuwait. Peter Rauchfuß bringt den
SR'n diesmal ein rotes Armband und bestätigt ihnen
in der Halbzeit, dass die 1. Rote Karte des Turniers gegen
Kuwait ihre Berechtigung gehabt hat.
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Ich übergebe Lars den Kabinenschlüssel
und verabschiede mich von den Kollegen, die noch nicht
wissen, wo sie die WM fortsetzen.
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Ich bezahle mein Parkticket wie jeden
Tag zuvor und nehme Abschied von den Vorrundenspielen
in Wetzlar. Sie haben mich acht Mal von Weilburg nach
Wetzlar und zurück geführt, insgesamt 5,- €
Parkgebühren gekostet, haben tiefe Einblicke hinter
die Kulissen und die Begegnung mit Menschen vieler Nationen
und aller Art ermöglicht.
2. Streiflichter
- Rathaus Wetzlar, alle Volunteers sind zur Einweisung geladen.
Für mehr als 200 Anwesende stehen 10 kleine Fläschchen
Wasser und ebenso viele belegte Brötchen zur Verfügung.
Die Brötchen sind offenbar von der voraus gegangenen
Veranstaltung übrig geblieben...
- Ich lerne dabei auch, dass Freiwillige "Volunteers"
und Kartenverkauf "Ticketing" heißt und
erweitere so meinen deutschen Wortschatz...
- Vorbereitungstreffen der Freiwilligen in der Arena. Ich
parke mein Auto vor dem Türkengeschäft und wandere
zur Arena. Dort nehme ich ein T-Shirt und eine Trainingsjacke
billigster Machart mit und überzeuge die lokalen Organisatoren,
dass es einen zweiten SR-Betreuer geben muss. Nachdem ich
an zahlreichen vor der Arena geparkten Autos vorbei gegangen
bin und meinen Parkplatz bezahlt habe, fahre ich zurück
nach Weilburg...
- Ich rufe Lars an, der am nächsten Tag zusagt und
schnell akkreditiert wird...
- Technische Einweisung im Hotel Mercure, Wetzlar, samstags
10.00 Uhr. Ich lerne den Unterschied zwischen 1. und 3.
Klasse kennen. Alle "oberen" Organisatoren haben
den gleichen Anzug, das gleiche Hemd und den gleichen Schlips
an, bis auf Mrs. Green natürlich, die entsprechende
Frauenkleidung trägt. Handyklingeln scheint ein Zeichen
von großer persönlicher Bedeutung zu sein...
- Ich spreche den Teamchef der Grönländer auf
Dänisch an, eine Männerfreundschaft beginnt...
- Ich lerne - vor allem von Tunesiens Teamchef - , dass
es auch die Aufgabe der Organisatoren ist/sein soll, von
allen WM-Spielen an allen Orten Videoaufzeichnungen für
alle in Wetzlar spielenden Mannschaften bereit zu stellen...
- Samstag, 20.01.07, 16.30 Uhr: Ich habe mein Auto im Forum-Parkhaus
geparkt, betrete die Arena und weise mich durch den am Hals
baumelnden Ausweis bei den Sicherheitskräften aus,
suche die SR-Kabine, die abgeschlossen ist. Meine Suche
führt mich zu Horsti Theiß, der mir nach einiger
Zeit den Schlüssel bringt. In der Kabine stehen die
üblichen Getränke und liegen Handtücher für
die 3 Gespanne. Horsti präsentiert mir den Freiwilligen
Stefan, der sich während der nächsten Spieltage
rührend um den notwendigen Nachschub kümmert.
Er besorgt auch sofort Obst, wonach vor allem das iranische
Gespann verlangt...
- Ein Blick aus der Kabinentür zeigt mir, dass die
Einlaufkinder schon um 17.30 Uhr bereit stehen, damit um
17.50 Uhr Fahnenträgerinnen, Mannschaften und Einlaufkinder
zur Zeremonie die Halle betreten können...
- Es beginnt der ständige Wechsel von Betreuung der
SR, Aufbereitung der Kabine danach, Betreuung während
der Pause, Aufbereitung der Kabine danach und erneuter Betreuung
der SR nach dem Spiel. Dabei wird es mitunter sehr eng in
der Kabine, da sich das pfeifende Gespann, das entsprechend
gekleidete Ersatzgespann und das Gespann für das folgende
Spiel darin aufhalten...
- Das iranische Gespann besteht aus einem sportlichen Leiter
eines Sportclubs und einem selbstständigen Handwerker,
beide sehr nette Kerle, die mit 18 Jahren das Pfeifen begonnen
haben und schon beim 1. Spiel, Grönland - Slowenien,
stellenweise überfordert zu sein scheinen. In der Halbzeit
ihres 2. Spiels deabattieren und gestikulieren sie wild
miteinander...
- Das slowakische Gespann besteht aus einem sportlichen
Leiter des nationalen Handballverbands und einem ebensolchen
eines großen Sportclubs, beide sehr nett und taktische
Überlegungen anstellend zu ihrem Einsatz nach der Wetzlarer
Vorrunde. Sie haben mit 18 Jahren begonnen und pfeifen souveräner
als die Iraner, lassen jedoch auch einige Zögerlichkeiten
erkennen...
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Die norwegischen Schiris Kenneth Abrahamsen
(links) und Arne M. Kristiansen |
Das norwegische Gespann besteht aus dem Manager eines großen
VW-Audi-Autohauses und einem Immobilienhändler, beide
sehr selbstbewusst. Sie haben mit 12 Jahren begonnen, gemeinsam
zu pfeifen! Ihre Auftritte sind überzeugend und so
pfeifen sie schließlich auch das letzte und entscheidende
Spiel um den Gruppensieg zwischen Tunesien und Slowenien...
- Ich betrete die Verpflegungsstätte der Freiwilligen,
unterschreibe, dass ich Getränke und Essensmärkchen
erhalte, lasse mir ein Schnitzelbrötchen geben und
mampfe es, mir Gedanken darüber machend, wo und was
die Organisatoren denn so speisen werden...
- Zwei Journalisten fragen mich, ob ich ihnen beim Interwiew
des besten tunesischen Spielers, der Französisch spricht,
helfen könne. Das mache ich und frage nach dem Interview
dezent, ob es nicht möglich wäre, auch einmal
die SR zu interviewen. Einer versucht dies am nächsten
Tag. Wir warten aber in der Kabine vergeblich auf ihn. In
der Halle erfahre ich von ihm, dass er den Innenraum nicht
verlassen darf. Wir setzen uns zum Ersatzgespann und werden
rüde darauf aufmerksam gemacht, dass es den SR'n verboten
sei, mit der Presse zu sprechen...
- Nach den Spielen führe ich zumeist die SR in die
IHF-Lounge im 2. Stock, erst am 2. Tag dürfen sie auch
den im 1. Stock gelegenen "Business Club" betreten,
der kulinarisch wesentlich mehr bietet als die IHF-Lounge...
- Den Organisatoren in den Anzügen ist die Anstrengung
und Anspannung täglich deutlicher ins Gesicht geschrieben.
Hat mich Bernd Dugall noch am 1. Tag begrüßt,
geht er jetzt mit Tunnelblick an mir vorbei, allerdings
nicht ohne mir einen Anschiss zu verpassen, denn ich bin
doch tatsächlich ein oder zwei Mal am Tisch der Offiziellen
vorbei gegangen...
- Gesprächen mit den Freiwilligen, vor allem am Info-Stand,
entnehme ich die große Freude und das ebenso große
Engagement, bei der WM dabei sein zu dürfen. Da könne
man auch über organisatorische und persönliche
Mängel des DHB und dessen Repräsentanten hinweg
sehen...
- Am Info-Stand bemerke ich, dass ein hr4-Reporter Interviews
macht. Ich spreche ihn an und bemängele, dass die SR
in der gesamten Berichterstattung keine Rolle spielten.
Gnädig gewährt er mir ein Interview, das am folgenden
Tag gesendet werden soll. Viele euphorische Stellungnahmen
werden ausgestrahlt, mein Interview leider nicht...
- Nach meiner letzten Betreuung verabschiede ich mich von
den IHF-Kollegen, gehe zum Info-Stand und gebe den Schrieb
mit meinen Kosten ab: 480 km gefahren, 5,- Euro Parkgeld
bezahlt, die Stunden nicht gerechnet. Ich erfahre, dass
ich wahrscheinlich keine Erstattung bekommen werde, schließlich
sei Idealismus gefragt...
Nachtrag: Ich habe den Versuch unternommen,
über den DHB wenigstens eine Spendenbescheinigung für
die gefahrenen Kilometer und das Parkgeld zu bekommen. Das
Ergebnis - null, nullo, nichts!
- Fazit: Ich bereue nicht, dass ich mich
zur Verfügung gestellt habe. Es war ein tolles Erlebnis,
die WM sozusagen von innen erleben zu dürfen. Ich habe
viele tolle Menschen aus aller Welt getroffen und einen
Trainer, der 2 Tage vor der Halle stand und keine Karte,
Verzeihung, kein Ticket bekam, an der Security vorbei gelotst.
Was mir Probleme bereitet, ist die 2-Klassen-Gesellschaft,
die ich erlebt habe. Wieder einmal ist der Idealismus nicht
nur gefordert und fest eingeplant, sondern auch brutal möglichst
ausgenutzt worden. Zur "Dankeschön-Party"
werde ich nicht gehen, aber an dieser Stelle vor allem meinen
Dank an Horsti, Stefan und Lars!
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Zur Person:
Karl-Peter "Carlo" Schulz, geb. 10.06.1942
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Lehrer seit 1966,
Rektor seit 1978, Direktor seit 2001 |
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Schiedsrichter seit 1973, Fußballschiedsrichter
seit 1974
Handballspieler von 1949 bis 1987, |
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Trainerlizenzen im Handball, Fußball
und Schwimmen |
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Handball-Bundesliga-Schiedsrichter von 1986
bis 1992, davor und danach
12 Jahre in der Regionalliga, derzeit Oberliga-Schiedsrichter |
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Lehrwart im HHV von 1998 - 2003, im SWHV
2002 - 2006 |
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Kämpft um die Qualitätsentwicklung
und -sicherung der
Handball-Schiedsrichter, um ihr Ansehen und damit um ihre Stelle im
Bereich des Handballs zu steigern. |
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